DER WINTERGARTEN

Klimaschutz oder Energiefresser?

Historische Glasvorbauten prägen in Quartieren wie dem Steintor, Peterswerder oder dem Neustädter Flüsseviertel ganze Straßenzüge. Sie entstanden ab Ende des 19. Jahrhunderts und haben zum positiven Ansehen der Bremer Häuser beigetragen. Allerdings – der Umgang mit den klimatischen Verhältnissen im Wintergarten ist nicht einfach. Im Sommer wird das Treibhausklima schnell lästig, im Winter ist es für einen Aufenthalt schlicht zu kalt. Bleiben die Übergangsjahreszeiten. Grund genug, uns in Erwartung wärmerer Tage mit dem wandelbaren Glasraum zu beschäftigen.

Der Wintergarten verdankt seinen Namen seiner ursprünglichen
Funktion – der Überwinterung von frostempfindlichen Pflanzen. Später entdeckten Menschen die wohnlichen Qualitäten des hellen, von Glas umschlossenen Raums. Der Wintergarten gewann ein eigenständiges Profil gegenüber seinen Verwandten, dem Gewächshaus und dem Treibhaus. Im Gegensatz zu diesen nutzt man den Wintergarten allerdings nur eingeschränkt, vornehmlich gerade nicht im Winter – beheizte Varianten ausgenommen.

Die Entstehung eines gläsernen Lebensraums

Die Idee, einen Hauswintergarten als Verbindungsglied zwischen Wohnraum und Garten zu schaffen, entstand Ende des 18. Jahrhunderts in England. Klimatische Verhältnisse auf der einen und gesellschaftliche Konventionen auf der anderen Seite trieben die Entwicklung voran. Wer es sich leisten konnte und die Repräsentationswirkung schätzte, vereinnahmte den bis dato Pflanzen vorbehaltenen Raum für sich. Und man wählte seine Pflanzen weniger nach nützlichen als viel mehr nach dekorativen Gesichtspunkten aus – häufig als Anspielung auf die Welt umspannenden kolonialen Besitzungen des Empires. Den geschützten Grünraum konnten sich allerdings nur wenige reiche Familien leisten. Der Grund: Glas war ein aufwändig herzustellendes Material und entsprechend teuer.

Glasherstellung und Wintergartenbau

Das änderte sich, als Glas aufgrund neuer Herstellungs-verfahren  billiger wurde. Der Wintergarten „boomte“ in weiten Kreisen des Bürgertums. Eine Baubewegung, die nicht zuletzt aus grandiosen Glasbauten wie dem Palmenhaus von Joseph Paxton ihren Nährboden zog. Paxton entwickelte sein imposantes Gebäude für die Weltausstellung 1851. Der vollständig aus Eisen und Glas konstruierte Komplex fand als Londoner ›Kristallpalast‹ viele Bewunderer. In der Folge wandelten die Bürger nahezu jeder größeren europäischen Stadt unter Glas und Palmen. Aber auch der kleinere, private Wintergarten wurde begeistert kopiert: Besonders in Bremen mit seinen traditionell guten Kontakten nach Großbritannien bedienten sich die Architekten der Idee des Glasanbaus und bauten elegante Veranden und Wintergärten an die Wohnhäuser der damaligen Zeit.

 

 

Der Wintergarten in Bremen

Die Sehnsucht nach Pflanzen ist ›tief verwurzelt‹. Inzwischen gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien über den positiven
Einfluss der stillen, grünen Begleiter im menschlichen Leben. Glücklich der, der einen Wintergarten hat.

Die andere Seite der Medaille: Der historische Wintergarten des Bremer Hauses ist pflegeaufwendig. Wo Kitt bröckelt entstehen Undichtigkeiten, zerbrochenes Glas wurde häufig nicht oder durch Pappe ersetzt. Und der Reinigungsaufwand der zahlreichen kleinen Glasscheiben ist erheblich. So gesehen ist er ein Raum für kostspielige Nostalgie. Da tröstet es, dass der unbeheizte Wintergarten sich positiv auf die Gesamtenergiebilanz des Hauses auswirkt. Er ist ein sinnvoller Klimapuffer zwischen Wohn- und Außenraum.

Wer den Wintergarten hingegen durch alle Jahreszeiten nutzt und heizt, verschlechtert in der Regel die Energiebilanz des Hauses. Hier können teilweise Energieverluste durch eine fachgerechte Bodendämmung und sehr gutes Isolierglas aufgefangen werden. Andere Faktoren wie Himmelsausrichtung, Verschattung durch Bäume, Be- und Entlüftung und nicht zuletzt die Nutzung können ebenfalls helfen, das Wintergartenklima positiv zu beeinflussen.

So bleibt der Wintergarten für viele Bremer eine erstrebenswerte Ergänzung am Haus, wofür auch spricht, dass viele ehemals offene Veranden mit viel Liebe zum Detail zu geschlossenen Wintergärten ausgebaut wurden. Das kann aber auch am berüchtigten ›Bremer Wetter‹ liegen.

Ein Wintergarten

Nichts für den Winter

Uta Sutter, Ärztin, lebt im Hochparterre eines Bremer Hauses: »Mein Wintergarten ist einfach verglast und nicht beheizt. Im Winter nutze ich ihn zum Unterstellen der Gartenmöbel. Trotzdem, mir gefällt die romantische Atmosphäre, die der Raum ausstrahlt.

Gut finde ich, dass er etwas Distanz zur Straße schafft. Im Sommer stelle ich dann viele Pflanzen hier rein. Mein Gärtner erzählte mir, dass die Bremerinnen traditionell Kamelien in ihren Wintergärten zogen. Mir gefällt die Idee, eine Blume mit Geschichte in meinem Wintergarten stehen zu haben. Schließlich verpflichtet der Raum zu gutem Stil.«

Kochen unter viel Glas

Auf die Isolierung kommt es an

Dipl.-Ing. Werner Marks, Firma bautec, plante den Wintergarten an alter Stelle neu:
»Diesen Wintergarten haben wir in Zusammen arbeit mit dem Kunden neu aufgebaut. Die Bewohner wollten ihre Küche mit Essplatz hier einrichten und daher natürlich ganzjährig im Warmen sitzen. Wir haben durch eine hochwertige Konstruktion aus Holz und Glas ein angenehmes Wohnklima erzeugen können. Bei der Planung haben wir darauf geachtet, dass sich der Wintergarten harmonisch in das Gesamtbild des Hauses einfügt.«

 

 

Aus alt mach neu

Der beste Platz im Büro

Hans-Jürgen Gorke nutzt den Wintergarten als Besprechungsraum für sein Steuerberatungsbüro:
»Von der alten Substanz sollte soviel wie möglich erhalten bleiben. Die Bodenfliesen und die Dachkonstruktion sind Teile des Altbremer Hauses. Nach dem Umbau ist der Wintergarten jetzt der beliebteste Ort im Büro. Genutzt wird der Raum im Wesentlichen für die Gespräche zwischen Mandanten und Mitarbeitern. Gerne werden hier auch interne Besprechungen durchgeführt, auch Festlichkeiten finden hier zu gegebenem Anlass statt.«

Erholung am Wochenende

Wintergartenfrühstück mit Zeit und Zeitung

Arnd Ziebert, Händler für Weine aus ökologischem Anbau:
»Wir nutzten unseren Wintergarten hauptsächlich am Wochenende. Wir mögen viel Grün um uns herum. Hier können wir morgens lange sitzen, Tee trinken und Zeitung lesen. Wenn es im Sommer richtig warm wird, gehen wir eher auf die Terrasse. Wenn es zu kalt ist, schalte ich schon mal für zwei Stunden die Heizung an, um im Wintergarten sitzen zu können. Aber das kommt, auf das gesamte Jahr gesehen, selten vor. Das Klima stimmt fast immer.«

>> Was ist eigentlich ein Wintergarten?

Als Wintergarten gilt ein mindestens von drei Seiten mit Glas umschlossener Anbau. Wer sich aber mit dem Gedanken trägt, einen vorhandenen Wintergarten auszubauen, oder wer einen gläsernen Anbau plant, sollte sich mit der baurechtlichen Definition befassen: Ein beheizter Wintergarten gilt als Wohnraumerweiterung. Für einen erweiterten Wohnraum wiederum gelten Auflagen, zum Beispiel betreffend der Isoliereigenschaften der Verglasung.

Mit freundlicher Genehmigung der swb Enordia, Quelle.energiemagazin Ausgabe 1/03